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Das Missverständnis mit der Mindesthaltbarkeit

Wegwerfen oder essen? Ein überschrittenes Mindesthaltbarkeitsdatum ist kein Grund für den Müll. Beim Verbrauchsdatum hingegen sieht es anders aus.

Wegwerfen oder essen? Ein überschrittenes Mindesthaltbarkeitsdatum ist kein Grund für den Müll. Beim Verbrauchsdatum hingegen sieht es anders aus.

Liebe Leserinnen und Leser,

vielleicht kennen Sie diesen einfachen aber zugegebenermaßen zweifelhaften Trick: Bei Toast und anderen schnell verderblichen Lebensmitteln griff ich lange grundsätzlich immer nach ganz hinten im Supermarktregal. Denn dort befindet sich nahezu ausnahmslos die Ware mit dem längsten Mindesthaltbarkeitsdatum (MHD). Nach vorne wird geschoben, was möglichst schnell verzehrt werden muss. Sprich, was kurz vor dem gefühlten Verfallsdatum steht.

Da ich Lebensmittel nur sehr schwer wegwerfen kann, fühlte ich mich so auf der vermeintlich sicheren Seite. War das MHD hingegen schon fast erreicht, roch das für mich nach Wegwerfkultur. Immerhin werden laut Statistischem Bundesamt in deutschen Privathaushalten jährlich im Schnitt 78 Kilogramm Lebensmittel pro Person entsorgt.

Heute weiß ich, dass mein Verhalten damals übertrieben war. Immerhin ist das Mindesthaltbarkeitsdatum, gemäß seinem Namen, nur ein Richtwert der besagt, bis wann ein Produkt mindestens sein Qualitätsversprechen hält. Tatsächlich ist es in in den allermeisten Fällen auch weiterhin noch völlig unbedenklich verzehrbar und muss keineswegs direkt in die Tonne wandern, wie meine Kollegin Maren Schulze in ihrem Text mit dem Titel „Braucht es das Mindesthaltbarkeitsdatum überhaupt noch?“ betont. Anders sieht es hingegen mit dem ernster zu nehmenden Verbrauchsdatum aus, das tatsächlich als Verfallsdatum zu verstehen ist. Das findet sich auf Artikeln wie Frischfisch, Geflügel und Hack, allesamt Produkte, in denen sich Krankheitserreger leichter vermehren können.

Das Mindesthaltbarkeitsdatum sorgt bei Verbrauchern immer wieder für Unsicherheit.

Das Mindesthaltbarkeitsdatum sorgt bei Verbrauchern immer wieder für Unsicherheit.

„Oft länger gut“

Trotzdem geht es nach wie vor offenbar vielen Menschen so wie mir einst. Um der Lebensmittelverschwendung entgegenzuwirken, gab es zuletzt im Frühjahr dieses Jahres einen Vorstoß der EU-Kommission: Herstellerfirmen sollten Produkte, die ein MHD tragen, freiwillig mit dem Zusatz „oft länger gut“ kennzeichnen. So solle für Verbraucherinnen und Verbraucher deutlicher werden, dass das MHD kein Wegwerfdatum ist, schreibt meine Kollegin Maren Schulze weiter.

Einen deutlich erkennbaren Trend zum Nahrungs-Upcycling gibt es derzeit auch in der US-Lebensmittelbranche: Es sei an der Zeit, die Lebensmittelverschwendung zu begrenzen, sagt etwa Tyler Malek. Er ist Chef der US-Eisdielenkette Salt & Straw und setzt auf kulinarische Kreationen, die auf Zutaten basieren, die normalerweise in der Tonne landen. Wer eine Kugel der Sorte Zitronencreme schleckt, konsumiert dabei unter anderem Molkereste aus der Joghurtproduktion; bei der Sorte Schoko-Gerstenmilch sind Abfallstoffe von Bierbrauern verarbeitet; eine Version von Stracciatella enthält Kakaopulpe, die bei der Herstellung von Schokolade übrig bleibt und bisher sonst kaum verwertet wird.

Die Upcycled Food Association vergibt auf dem amerikanischen Markt ein Siegel, das Verbraucherinnen und Verbrauchern bei der Orientierung helfen soll. Auf Produkten, in denen nach bestimmten Kriterien upgecycelte Zutaten enthalten sind, darf ein Logo mit dem Schriftzug „Upcycling Certified“ prangen. Auch die besonderen Eissorten von Salt & Straw sind auf diese Art gekennzeichnet, so wie 450 weitere Produkte. Im Jahr 2021 waren es lediglich 30 gewesen.

Sie wollen auch etwas gegen Lebensmittelverschwendung tun? Tipps finden Sie hier. Sie haben weitere Tipps, Anmerkungen und Fragen? Schreiben Sie uns gern an unbezahlbar@rnd.de!

Ihre

Carolin Burchardt

 

Tipp der Woche

Der Klimawandel macht vielen Pflanzen immer mehr zu schaffen. Zahlreiche Arten reagieren äußerst sensibel auf Wetterextreme wie Hitze und Stark- beziehungsweise Dauerregen. In Teilen der USA lautet die Antwort auf die neuen klimatischen Herausforderungen daher „hitzeresistentes Gärtnern“, auch Xeriscaping genannt. Dabei geht es um eine Gartengestaltung, die an wüstenähnliches Klima angepasst ist.

Der US-Trend lässt sich zwar nur bedingt auf unsere Breitengrade übertragen, ein paar wertvolle Tipps vom sogenannten Wüstengärtnern sind aber trotzdem ableitbar. So empfiehlt Claudia Blaurock, Fachsprecherin für Pflanzenverwendung beim Bund Deutscher Landschaftsarchitekten und Dozentin am Institut für Landschaftsarchitektur der TU Dresden, im Gespräch mit meiner Kollegin Helene Kilb: „Wir brauchen innerstädtisch keine Schmuckbeetpflanzungen, sondern Pflanzungen, die stabil sind und sich selbst tragen können.“

Kein Schotter-, sondern ein Steingarten: Man muss nicht zwangsläufig die Fläche auskoffern und neue Erde verlegen – und Wasser sparen lässt sich so auch.

Kein Schotter-, sondern ein Steingarten: Man muss nicht zwangsläufig die Fläche auskoffern und neue Erde verlegen – und Wasser sparen lässt sich so auch.

Als sinnvoll erachtet sie zudem die fürs Xeriscaping typische Rückbesinnung auf das Ursprüngliche: „Wir haben hier selten unberührten Boden. Oft wird der Boden für einen Garten großzügig ausgekoffert, die Erde weggebracht und neue Erde vom Feld geholt.“ Besser sei es, mit dem Boden vor Ort zu arbeiten und das Beste aus ihm herauszuholen. „Als Start können Gartenbesitzer Grünschnitt als organischen Beisatz zugeben, später sollten sie eine Mulchschicht auftragen und die Pflanzen dem Standort entsprechend auswählen“, sagt Blaurock. „So erhält man mit wenig Aufwand stabile Pflanzen.“

 

Zahlen, bitte!

Ein wichtiger Vorbote für eine sinkende Inflation ist da. Laut Statistischem Bundesamt sind die Erzeugerpreise zum ersten Mal seit November 2020 gefallen. Sie lagen im Juli um 6 Prozent niedriger als ein Jahr zuvor. Die Erzeugerpreise sind die Preise auf der Herstellerebene, die sich mit Verzögerung auch bei den Endkunden bemerkbar machen. Im Juli war es allerdings noch nicht so weit: Nach früheren Angaben des Statistischen Bundesamts sind die allgemeinen Lebenshaltungskosten im Juli erneut um mehr als 6 Prozent gestiegen.

Fachleute sehen damit die Trendwende geschafft. „Die Inflationserwartungen für den Euroraum gehen zum ersten Mal seit Langem spürbar zurück“, teilte das Mannheimer ZEW-Institut am Montag nach seiner regelmäßigen Umfrage bei Expertinnen und Experten in der Eurozone mit. „Die konjunkturelle Lage im Euroraum nimmt der Inflation ein wenig den Wind aus den Segeln“, sagte ZEW-Experte Frank Brückbauer.

Laut ZEW hat knapp die Hälfte der Befragten ihre Inflationsprognose wegen der konjunkturellen Lage gesenkt. Mit einer akzeptablen Teuerung – die EZB strebt 2 Prozent an – rechnen die meisten aber trotzdem erst im übernächsten Jahr. Die Schätzungen pendeln sich bei 5,5 Prozent in diesem und 3,3 Prozent im nächsten Jahr ein – bisher wurden einige Zehntel mehr erwartet. 2025 sollen dann im Jahresschnitt 2,5 Prozent erreicht sein.

 

Gut zu wissen

 

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Die gute Nachricht

Die Ampel-Koalition will beim Ausbau der Solarenergie in Deutschland Tempo machen. Der Betrieb eines Balkonkraftwerks soll deutlich einfacher werden, auch für gewerbliche Betreiber fallen bürokratische Hürden. Das hat das Kabinett am vergangenen Mittwoch in Berlin beschlossen.

Die Balkonkraftwerke funktionieren genauso wie die großen Anlagen auf dem Dach. Sie sind aber kleiner und lassen sich einfach an der Brüstung installieren.

Die Balkonkraftwerke funktionieren genauso wie die großen Anlagen auf dem Dach. Sie sind aber kleiner und lassen sich einfach an der Brüstung installieren.

Das neue „Solarpaket“ soll zum Jahreswechsel in Kraft treten, muss aber noch den Bundestag passieren. Ziel sei, das Tempo beim jährlichen Solarausbau zu verdreifachen und bis 2026 auf einen jährlichen Zubau von 22 Gigawatt zu kommen, sagte Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne). Das sei ambitioniert, denn im vergangenen Jahr habe der Zubau bei 7,5 Gigawatt gelegen. Bis 2030 hat sich die Regierung die Zielmarke von 215 Gigawatt gesetzt.

 

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