Start von Unterschriftensammlung

Neuer Volksantrag in Sachsen: Wer soll ein Recht auf Bildungsurlaub haben?

Ein Volksantrag soll erreichen, dass Beschäftigte auch in Sachsen künftig das Recht auf eine Bildungszeit erhalten. Am Freitag ist dafür die Unterschriftensammlung gestartet.

Ein Volksantrag soll erreichen, dass Beschäftigte auch in Sachsen künftig das Recht auf eine Bildungszeit erhalten. Am Freitag ist dafür die Unterschriftensammlung gestartet.

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Dresden. In Sachsen hat eine Unterschriftensammlung begonnen, um das Recht auf einen bezahlten Bildungsurlaub durchzusetzen. Dafür macht sich ein außergewöhnlich breites Bündnis stark. Die LVZ erklärt, was sich hinter der Forderung verbirgt und wer künftig davon profitieren soll.

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Was ist Bildungsurlaub?

Beim Bildungsurlaub geht es um „Urlaubstage“, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nehmen dürfen, um sich fort- oder weiterzubilden. Diese Zeit muss zusätzlich zum regulären Urlaubsanspruch gewährt werden – für Bildungsurlaub wird also kein Erholungsurlaub gekürzt oder abgezogen. Der Inhalt der Weiterbildung muss nicht zwangsläufig mit der beruflichen Tätigkeit in Verbindung stehen.

Sachsen ist neben Bayern das einzige Bundesland, in dem es noch keinen Anspruch auf Bildungszeit gibt. Der Volksantrag spricht sich in Sachsen für fünf „Bildungsurlaubstage“ pro Jahr aus. Davon könnten im Freistaat bis zu zwei Millionen Beschäftigte profitieren. Laut DGB machen erfahrungsgemäß aber nur etwa zwei Prozent der Menschen davon Gebrauch, wie die Freistellungen in anderen Bundesländern zeigen würden.

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Welche Angebote soll es geben?

Das Spektrum reicht von Sprachkursen über konkrete fachliche Fortbildungen bis zu politischen Seminaren oder persönlichkeitsbildenden Kursen. Viele Angebote zielen auch allgemein auf Teamfähigkeit oder Kreativität ab. Aber es gibt auch Kurse, die sich einem Spezialthema wie beispielsweise Verschwörungstheorien widmen.

In Sachsen machen sich unter anderem Feuerwehr- und Sportverbände für den Bildungsurlaub stark: Mit dieser Extra-Zeit sollen insbesondere auch Ehrenamtliche gewürdigt werden, die sich auf diese Weise auch nicht mehr zwingend in ihrer Freizeit weiterbilden müssen. Im Gesetzentwurf wird dies als „Qualifizierung zur Wahrnehmung ehrenamtlicher Tätigkeiten“ bezeichnet, etwa für ehrenamtliche Trainer, Helfer von Sanitätsdiensten oder Kameraden der Feuerwehren.

Wer darf Seminare anbieten?

Voraussetzung für die Freistellung von der Arbeit ist, dass der Kurs als Bildungsurlaub anerkannt ist. Das kann unter anderem von der Landeszentrale für politische Bildung, den Volkshochschulen, den Berufsakademien oder den Bildungswerken von Gewerkschaften sein. Um Querverbindungen zu vermeiden, gehören derzeit sowohl die Landeszentrale als auch der Volkshochschulverband, dessen ehrenamtlicher Präsident der sächsische Regierungschef Michael Kretschmer (CDU) ist, nicht zu den Unterstützern des Volksantrages.

Wer zahlt für den Bildungsurlaub?

Während des Bildungsurlaubs zahlt der Arbeitgeber den Lohn beziehungsweise das Gehalt weiter – genau wie bei einem regulären Erholungsurlaub. Für Kursgebühren, Ausgaben für Lehrmittel oder Kosten für Fahrten und Unterkunft müssen die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aber selbst aufkommen. Diese Ausgaben können jedoch später in der Steuererklärung geltend gemacht werden.

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Wer in Teilzeit arbeitet, soll laut des aktuellen Gesetzentwurfs einen entsprechend verkürzten Anspruch haben. Voraussetzung soll sein, dass eine mindestens sechs Monate andauernde Anstellung vorliegt. Der Antrag muss bis sechs Wochen vor Beginn der gewünschten Freistellung beim Arbeitgeber gestellt werden. Es ist geplant, dass bei Azubis zugestimmt werden muss, bei den anderen Beschäftigten soll eine Ablehnung nur durch außerordentliche Gründe gerechtfertigt werden können. In diesen Fällen würde die Bildungszeit auf das folgende Jahr übertragen.

Weshalb gibt es den Volksantrag?

Seit Jahren wird in Sachsen über die Einführung der Bildungszeit diskutiert. Schon 2019 legte der DGB mit anderen Akteuren einen eigenen Gesetzesentwurf vor, um Druck auf die Koalitionsverhandlungen von CDU, Grünen und SPD auszuüben. Das Vorhaben, den Bildungsurlaub zum Teil des aktuellen Koalitionsvertrages zu machen, scheiterte aber. Die CDU von Ministerpräsident Michael Kretschmer blockierte das Thema. Im Vertrag findet sich deswegen nicht mehr als der Hinweis, dass Schwarz-Grün-Rot die Einführung eines „Bildungsfreistellungsgesetzes“ prüfen wolle.

Wer unterstützt den Volksantrag?

Das Bündnis für die Einführung des Bildungsurlaubs umfasst 50 Partnerorganisationen. Dazu gehören der Landesfeuerwehrverband, der Landessportbund, der Chorverband, der Landesfrauenrat, der Kinder- und Jugendring Sachsen, der Automobilclub Europa, die Kirchen, die Konferenz der sächsischen Studierendenschaften, verschiedene Wohlfahrtsverbände wie die Volkssolidarität, dazu Gewerkschaften wie der DGB, Verdi, IG Metall und die Gewerkschaft der Polizei.

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Auch die Koalitionspartner SPD und Grüne, die sich damit gegen die CDU stellen, sowie die Linke sind mit dabei. Sie alle werben seit Freitag um Unterschriften, damit der Bildungsurlaub für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Freistaat eine gesetzliche Grundlage erhält. Informationen zu der Sammlung gibt es auch unter www.zeit-fuer-sachsen.de.

Wie viele Unterschriften sind für den Volksantrag notwendig?

Wer in Sachsen einen Volksantrag startet, kann nicht einfach Unterschriften für sein Ziel sammeln – es muss ein fertiger Gesetzentwurf vorgelegt werden. Das ist beim Bildungsurlaub der Fall. Das Bündnis will nun bis Mai 2024 mindestens 40.000 Unterschriften sammeln. So viele Menschen sind notwendig, damit der Landtag über das neue Gesetz debattiert und abstimmt. Damit ist aber nicht gesagt, dass der Bildungsurlaub auch eingeführt wird. Der Landtag kann den Entwurf ablehnen.

Dann hätte das Bündnis aber noch eine andere Option. Es könnte ein Volksbegehren gestartet werden: Dafür müssten mindestens 450.000 Unterschriften von Stimmberechtigten in Sachsen binnen von sechs Monaten gesammelt werden. Gelingt das, würde ein Volksentscheid stattfinden, bei dem alle Wahlberechtigten über den Gesetzesentwurf abstimmen.

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War ein Volksantrag schon einmal erfolgreich?

In der jüngeren Vergangenheit gab es lediglich einen Fall, in dem ein Volksantrag erfolgreich gewesen ist. Im Juli 2020 stimmte der Landtag über den Volksantrag „Gemeinschaftsschule in Sachsen – länger gemeinsam lernen“ ab. Zwar hatte die Regierungskoalition einige Änderungen zum Entwurf vorgenommen, doch die Gemeinschaftsschule wurde letztlich als gleichberechtigte Schulart in Sachsen eingeführt und steht seither im Schulgesetz. Das Bündnis, dass über Monate hinweg Unterschriften gesammelt hatte, brachte es auf mehr als 50.000 Unterstützerinnen und Unterstützer.

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Aktuell werden noch bis Ende August für einen weiteren Volksantrag Unterschriften gesammelt: Der 8. März soll auch in Sachsen zum Feiertag werden. Neben Gewerkschaften setzen sich unter anderem die Arbeiterwohlfahrt sowie die Grünen, die SPD und die Linke dafür ein.

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