Präzedenzfall für Bundesgericht

Arbeitsgericht: Rassistische Beleidigungen in Whatsapp-Gruppen rechtfertigen Kündigung

Mitglieder geschlossener Chatgruppen im Internet können bei rassistischen Äußerungen oder Beleidigungen von Arbeitskollegen nur im Ausnahmefall auf den Schutz durch Vertraulichkeit setzen.

Mitglieder geschlossener Chatgruppen im Internet können bei rassistischen Äußerungen oder Beleidigungen von Arbeitskollegen nur im Ausnahmefall auf den Schutz durch Vertraulichkeit setzen.

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Erfurt. Wer in Chatgruppen gegen Kollegen und Vorgesetzte hetzt, kann fristlos gekündigt werden. Das entschied an diesem Donnerstag das Bundesarbeitsgericht (BAG) in einem Grundsatzurteil. In der Regel können die Teilnehmer von Chatgruppen nicht darauf vertrauen, dass nichts nach außen dringt.

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Schon seit 2014 haben sich sechs befreundete Kollegen bei der Fluggesellschaft TUI Fly in einer Chatgruppe ausgetauscht. Oft ging es um Fußball, immer wieder aber auch um die Unzulänglichkeiten von Kollegen, Betriebsräten und Vorgesetzten. Ein besonderes Feindbild scheint ein polnischer Geschäftsführer gewesen zu sein. Regelmäßig kam es auch zu Mord- und Vergewaltigungsphantasien. Zitate wie „Unter Hitler würde die Welt besser laufen“ zeigen den politischen Hintergrund der Chat-Teilnehmer.

Die Chat-Inhalte wurden bekannt, als ein Chat-Mitglied einem außenstehenden Kollegen eine bestimmte Äußerung zeigte. Dieser nahm das Smartphone in die Hand und kopierte flugs den gesamten Chatverlauf an seine eigene Adresse. Über Umwege kam die ausgedruckte Chatdokumentation zum Personalleiter, der die drei übelsten Hetzer nach einer Anhörung fristlos kündigte.

Bundesgericht kassiert Urteile vorangegangener Instanzen

Die Betroffenen klagten jedoch gegen ihre Kündigung und beriefen sich darauf, dass ihre Chats den Betriebsfrieden nicht gestört hätten. Sie hätten auch nie vorgehabt, jemand zu ermorden, sondern wollten nur unter Vertrauten ihrem Ärger Luft machen. Da sie eng befreundet seien, hätten sie sich auch darauf verlassen können, dass alles in der Chatgruppebleibt und nicht nach außen dringt.

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Mit dieser Argumentation hatten sie in den ersten beiden Instanzen Erfolg. Sowohl das Arbeitsgericht Hannover als auch das Landesarbeitsgericht (LAG) Niedersachsen hielten die fristlosen Kündigungen für unwirksam. Es fehle der „wichtige Grund“. In kleinen Chatgruppen von sechs bis sieben Personen habe die freie Entfaltung der Persönlichkeit Vorrang vor dem Ehrschutz von Außenstehenden.

BAG entscheidet nicht abschließend

Das sah das Bundesarbeitsgericht nun aber anders. In der Regel könne bei WhatsApp-Gruppen nicht darauf vertraut werden, dass nichts nach außen dringt. Das liege schon an der Technik, die auf besonders schnelle Weiterleitung erhaltener Nachrichten ausgelegt ist. Außerdem komme es auf den Inhalt des Chats an. Bei beleidigenden und menschenverachtenden Äußerungen über Betriebsangehörige ist besonders wenig damit zu rechnen, dass niemand etwas weitergibt oder weitererzählt. Dabei müssen die Teilnehmer nicht nur mit Reaktionen aus Empörung oder schlechtem Gewissen rechnen, sondern auch mit Sensationslust und Zeigefreudigkeit.

Das BAG entschied nun nicht abschließend, sondern verwies den Fall ans LAG Niedersachsen zurück. Dort können die drei gekündigten Mitarbeiter -vor dem Hintergrund des neuen Maßstabs - noch einmal Argumente vorbringen, warum im Fall ihrer Chatgruppe ausnahmsweise doch mit dauerhafter Vertraulichkeit zu rechnen war.

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