Russland – zunehmend isoliert, aber in Afrika ein Hoffnungsträger
Der Angriffskrieg gegen die Ukraine hat Russland, einst Partner vieler Entwicklungsländer von Asien bis Lateinamerika, international weitgehend isoliert. Doch vor allem auf einem Kontinent gewinnt Moskau gegen diesen Trend deutlich an Einfluss: Afrika.
+++ Alle Entwicklungen zum Krieg gegen die Ukraine im Liveblog +++
Das jüngste Beispiel ist Burkina Faso. Das westafrikanische Binnenland wehrt sich wie sein nördlicher Nachbar Mali seit Jahren gegen islamistische Terrorgruppen. Teile des Landes drohen der staatlichen Kontrolle zu entgleiten. Lange Zeit setzten die Herrscher in der Hauptstadt Ouagadougou auf eine militärische Zusammenarbeit mit der ehemaligen Kolonialmacht Frankreich. 400 Elitesoldaten im Land bekämpften die Dschihadisten. Im September putschte in Burkina Faso das Militär, eine Junta unter Hauptmann Ibrahim Traoré übernahm die Macht.
Der Putsch stand deutlich unter antifranzösischen Vorzeichen und erinnerte an ein ähnliches Szenario zuvor in Mali. Anfang 2023 wurden die französischen Truppen des Landes verwiesen, jetzt machen Gerüchte die Runde, diese sollen durch Söldner der russischen Wagner-Gruppe ersetzt werden. Einer russischen Bergbaufirma wurde eine Lizenz zum Schürfen von Gold erteilt.
„Die Menschen im Land verstehen nicht, warum die Dschihadisten trotz französischer Präsenz so viel Einfluss in Burkina Faso gewonnen haben. Üble Gerüchte über die Franzosen machen die Runde“, sagt Ulf Laessing, Leiter des Regionalprogramms Sahel der Konrad-Adenauer-Stiftung, dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND),
„Die antiwestliche, stärker aber noch antifranzösische Haltung vieler Menschen hier ist das Produkt einer sehr langwierigen, kontinuierlichen Präsenz russischer Propaganda in den sozialen Netzwerken und Medien. Alles, was falsch läuft, wird der ehemaligen Kolonialmacht angelastet, die ja auch tatsächlich Fehler gemacht hat. Die Franzosen werden hier als arrogant und abgehoben wahrgenommen“, so Laessing weiter, der in Malis Hauptstadt Bamako arbeitet.
Moskaus mediale Präsenz
„Einer der Fehler des Westen war es, in Fragen der medialen Präsenz das Feld komplett den Russen überlassen zu haben“, so Laessing weiter. „Die werden von vielen Menschen hier als Gesinnungsfreunde und Problemlöser wahrgenommen, ohne dass sie wirklich etwas anbieten – außer dass sie Waffen liefern und ihre Söldner schicken“, sagt der Historiker und Islamwissenschaftler.
Genau so lief es auch in Mali ab: Erst putsche das Militär, dann wurden die Franzosen verdrängt und die russischen Söldner übernahmen das Feld – ließen sich durch Lizenzen für den Abbau von Bodenschätzen bezahlen.
In dieser Ansicht können leider nicht alle Inhalte korrekt dargestellt werden.
Zur vollständigen AnsichtDie Öffentlichkeit in den westafrikanischen Ländern scheint bereit dafür: Immer wieder kommt es zu Protesten gegen die westliche Präsenz, russische Fahnen werden geschwungen und Russlands Präsident Wladimir Putin wird als eine Art Befreier gefeiert. Die Kremldesinformationskampagne von Propagandasendern wie Russia Today hat hier ganze Arbeit geleistet. Noch sind etwa 3000 französische Soldaten in Mauretanien, Niger und Tschad stationiert. Aber auch in Niger ist die Hilfe aus Paris umstritten.
Auf seiner Afrikatour hat der russische Außenminister Sergej Lawrow Anfang Februar unter anderem Mali besucht und betont, dass man Mali und den anderen Ländern in der Sahelzone bei der Bekämpfung des Terrorismus zur Seite stehen werde.
Ein weiteres Land, welches exemplarisch für Russlands wachsendes Interesse an Afrika steht, ist die Republik Zentralafrika, wo der seit 2016 regierende Präsident Faustin Touadéra einen geheimen Vertrag mit Moskau schloss.
Rund 2000 Mitglieder der paramilitärischen Wagner-Gruppe stützen heute die Regierung dort, stellen die Leibgarde des Präsidenten. Dafür bekomme Russland Zugang zu strategischen Ressourcen. Mit Touadéra hat Moskau eine umfassende Partnerschaft vereinbart: Russische Firmen sollen die vom Krieg zerstörte Infrastruktur wieder aufbauen, mit Krediten von russischen Banken.
Auch im Süden Afrikas gelingt es Russland, deutlicher Flagge zu zeigen. Vor der Küste Südafrikas, dem wirtschaftlich stärksten Land des Kontinents, beteiligten sich russische Kriegsschiffe Anfang Februar an einem Marinemanöver. Zudem reisten hochrangige Vertreter der südafrikanischen Regierungspartei ANC Ende Februar 2023 nach Moskau, um die ideologische Nähe mit der Putin-Partei Einiges Russland zu festigen. Bei den Gesprächen in Moskau ging es auch um die „Neuausrichtung der globalen Ordnung“, die das Ziel habe, „die Folgen des Neokolonialismus und der zuvor vorherrschenden unipolaren Welt umzukehren“, teilte der ANC mit.
Abstimmung bei den UN
Es bleibt nicht bei ideologischen Schulterschlüssen, Moskaus Engagement in Afrika zahlt sich auch politisch aus – in Form des Abstimmungsverhaltens bei den Vereinten Nationen zum Beispiel: Als die Vereinten Nationen Ende Februar anlässlich des Jahrestags von Russlands Überfall auf die Ukraine erneut zur Abstimmung aufriefen, forderten 141 von 193 UN-Staaten Russlands Rückzug aus der Ukraine. Sieben Staaten stimmten dagegen, darunter die afrikanischen Länder Eritrea und Mali. Unter den 32 Enthaltungen waren 17 afrikanische Staaten, darunter Algerien, Angola, Burundi, die Republik Kongo, Äthiopien, Gabun, Guinea, Mosambik, Namibia, Südafrika und die Zentralafrikanische Republik.
Der Kreml sieht in Afrika laut einer Studie des britischen Tony Blair Institute for Global Change eine „zweite Grenze“ zu Westeuropa, um dort Instabilität zu fördern, westliche Demokratiemodelle zu unterminieren, die Migrationspolitik zu befeuern. Dabei kommt Moskau das zuletzt abnehmende Interesse des Westens, sich in Afrika zu engagieren, sehr entgegen. „Wir müssen uns selbstkritisch fragen, ob wir es nicht verpasst haben, echte Partnerschaften mit afrikanischen Staaten aufzubauen. Das geht nicht mit einer oft anzutreffenden paternalistischen und belehrenden Grundhaltung“, sagt Christoph Kannengießer, Hauptgeschäftsführer des Afrikavereins der deutschen Wirtschaft, dem RND.
Obwohl sich der russisch-afrikanische Handel in den letzten fünf Jahren mehr als verdoppelt hat, ist er mit etwa 20 Milliarden Dollar pro Jahr recht gering.
Christoph Kannengießer,
Hauptgeschäftsführer des Afrikavereins der deutschen Wirtschaft
„Obwohl sich der russisch-afrikanische Handel in den letzten fünf Jahren mehr als verdoppelt hat, ist er mit etwa 20 Milliarden Dollar pro Jahr recht gering“, so Kannengießer vom Afrikaverein der deutschen Wirtschaft. Die größten Quellen ausländischer Direktinvestitionen in Afrika sind nach wie vor Firmen mit Sitz in Frankreich, den Vereinigten Staaten und Großbritannien. Andere, insbesondere staatlich unterstützte chinesische Unternehmen, holen auf.
Im Vergleich zum Volumen Chinas ist Russlands Handel mit Afrika marginal, macht nur rund 2 Prozent des afrikanischen Handels mit Ländern außerhalb des eigenen Kontinents aus. Afrikas Handelsvolumen mit Europa und China ist dagegen mehr als zehnmal größer.
„Obervolta mit Raketen“
Wirtschaftlich hat Russland Afrika einfach zu wenig zu bieten. Das war zu Sowjetzeiten nicht anders. Bundeskanzler Helmut Schmidt bezeichnete die Sowjetunion auf eine Frage nach deren Entwicklungsstand einst als ein „Obervolta mit Raketen“. Dennoch war Moskau damals in der Lage, Kooperationsverträge mit 37 afrikanischen Ländern zu unterzeichnen. Bis heute am erfolgreichsten waren sowjetische „Investitionen“ in Form ideologischer Beeinflussung junger Afrikanerinnen und Afrikaner. „Einige Regierungen pflegen enge Kontakte mit Russland, welche oftmals bis in die Zeit der Unabhängigkeitsbestrebungen vieler afrikanischer Staaten zurückreichen“, sagt Kannengießer.
In dieser Ansicht können leider nicht alle Inhalte korrekt dargestellt werden.
Zur vollständigen AnsichtEtwa 250.000 Menschen aus Afrika studierten bis zu ihrem Zusammenbruch 1991 in der Sowjetunion, darunter spätere Spitzenpolitiker wie Südafrikas Ex-Präsidenten Thabo Mbeki und Jacob Zuma, Youssouf Saleh Abbas aus dem Tschad und Michel Djotodia aus Zentralafrika. Das blieb nicht ohne Einfluss auf die spätere Regierungsarbeit. Wobei laut Kannengießer die „Grenzen zwischen Ideologie und Abhängigkeiten aus meiner Sicht oft fließend sind“.
Russland - größter Waffenlieferant Afrikas
Wenn auch Russland an Waren Afrika nicht viel zu bieten hat, beim Waffenhandel liegt man ganz vorn: Mit einem Anteil von 40 Prozent Gesamtvolumen (laut Stockholm International Peace Research Institute Sipri) sind die Russen zum größten Waffenlieferanten Afrikas aufgestiegen. Laut Kannengießer „beziehen 21 Länder russische Waffen, in einigen Ländern wie der Zentralafrikanischen Republik, Angola, Mosambik oder Uganda sind die Abhängigkeiten so stark, dass die Armeen ohne finanzielle und personelle Beteiligung Russlands nicht funktionsfähig wären“.
In Mali sind viele sehr enttäuscht, weil sich die Sicherheitslage überhaupt nicht verbessert hat.
Ulf Laessing,
Konrad-Adenauer-Stiftung
Ulf Laessing, der für die Konrad-Adenauer-Stiftung in Malis Hauptstadt Bamako arbeitet, nimmt aber auch eine zunehmende Ernüchterung vieler Afrikanerinnen und Afrikaner über das russische Engagement wahr: „In Mali sind viele sehr enttäuscht, weil sich die Sicherheitslage überhaupt nicht verbessert hat“, sagt er.
Von einem regelrechtem Massaker an 17 Wagner-Söldnern im Kampf um eine Goldmine in Zentralafrika berichtet der britische „Guardian“: „Die Russen haben schon das ganze Land übernommen. Sie bewachen die Grenze und sind überall, wo es etwas Wertvolles gibt. Sie stehlen unsere Ressourcen“, wird ein Rebellenführer mit Namen Ahmadou Ali zitiert. Zuvor sollen die Wagner-Söldner ein Massaker unter Goldsuchern nahe der Stadt Am Daga an der sudanesischen Grenze angerichtet haben.
Laessing glaubt, dass Russlands Engagement in Afrika keine langfristige Perspektive hat: „Die Russen werden von vielen als Hoffnungsträger wahrgenommen, bieten aber in der Realität nichts an, was die eigentlichen Probleme hier betrifft. Wirtschaftliche oder Entwicklungsprobleme betreffend sieht man hier keine Russen. Viele Afrikaner sind darüber enttäuscht.“