Umstrittene McDonald’s-Studie

„Unfassbare Lobbyschlacht“: Wie das EU-Parlament um kleinere Müllberge ringt

Müllberg: Damit weniger Müll produziert wird, sollen die Bürger besser sortieren.

Brüssel. „Eine unfassbare Lobbyschlacht“ erlebe die EU-Parlamentarierin der S&D-Fraktion (Sozialdemokraten), Delara Burkhardt, aktuell im EU-Parlament. „Ich habe in der Zeit als Schattenberichterstatterin im Umweltausschuss 1000 Anfragen bekommen“, sagt sie dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). Lobbygruppen blockierten die Verhandlungen über die EU-Verpackungsmüllverordnung.

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Die EU-Kommission will mit dem Vorschlag, über den das EU-Parlament nun beratschlagt, ein bekanntes Problem angehen: In der EU wird zu viel Müll weggeschmissen. Pro Kopf verbrauchen die EU-Bürger 177 Kilo Abfall im Jahr – mehr als je zuvor. Nicht das Recyceln, sondern das Vermeiden von Abfall ist in der Abfallpyramide das oberste Gebot.

Die EU-Kommission will unnötige Verpackungen verbieten, die Verpackungen sollen nicht viel größer als der Inhalt sein, und sie will – der Kern des Streits – mit Mehrwegquoten peu à peu bestimmte Einwegverpackungen aus dem Markt drängen. Diese Quoten soll die Gastronomie dazu bringen, weniger Becher und Essensboxen aus Pappe und Papier auszugeben.

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In Deutschland gibt es Mehrwegpflicht

So sollen nach dem Willen der EU-Kommission unter anderem für Takeaway-Essen Mehrwegquoten von 10 Prozent (ab 2030) und 40 Prozent (ab 2040) gelten. To-go-Bechern will die EU-Kommission noch mehr an den Kragen gehen mit Mehrwegquoten von 20 Prozent (ab 2030) und 80 Prozent (ab 2040).

In Deutschland gibt es bereits die Mehrwegangebotspflicht. Jeder, der danach verlangt, kann in Cafés und Restaurants Mehrwegbecher oder -boxen verlangen, wenn sie über 80 Quadratmeter Fläche und über fünf Angestellte haben.

Kaffee im Mehrwegbecher: In Deutschland ist das möglich. Allerdings werde laut der Deutschen Umwelthilfe (DUH) das Angebot noch zu wenig genutzt, auch weil Gastronomien nicht richtig darüber informierten.

Simona Dunsche spricht für das Unternehmen Recup / Rebowl, das 21.000 Ausgabestellen mit Mehrwegbehältern versorgt: Es liege an den Verbrauchern, das Mehrwegangebot zu nutzen, und daran hapere es noch. „Durch eine EU-Verordnung würde auch in Deutschland mehr Druck herrschen, Mehrweg konsequenter umzusetzen.“

Die Zeit drängt – Lobbygruppen versuchen zu bremsen

Kommt es tatsächlich zu den Mehrwegquoten? Im Umweltausschuss des EU-Parlaments befinden sich die Verhandlungen in der heißen Phase. In der Sitzungswoche zwischen dem 20. und 23. November soll das EU-Parlament über die Einigung des Ausschusses abstimmen. Danach will es im Trilog mit der EU-Kommission und dem Rat der Europäischen Union verhandeln. Die Zeit drängt: Die Verordnung soll noch vor den Parlamentswahlen im Juni 2024 verabschiedet werden.

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Im EU-Umweltausschuss sind die Positionen umkämpft und Lobbygruppen versuchen, die Mehrwegquoten zu verhindern. Burkhardt: „Das, was die Lobbygruppen machen, ist hart an der Grenze des legitimen Lobbyings.“ McDonald‘s fahre, so Burkhardt, eine Kampagne mit einer Studie, die sagt, dass Einwegverpackungen ökologisch nachhaltiger seien als Mehrwegverpackungen.

McDonald‘s will keinen „Mehraufwand“

McDonald‘s sagt dazu: „Das Handling von Mehrwegverpackungen ist für gastronomische Betriebe in der Praxis mit deutlichem Mehraufwand verbunden.“ Dies betreffe die Logistik- und Lagerkapazitäten und die Einhaltung der wichtigen Hygienestandards. McDonald‘s setze auf „nachhaltigere, faserbasierte Verpackungen“.

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Laut der Studie der Unternehmensberatung Kearney steige durch eine Mehrwegquote beim Takeaway der Verpackungsmüll insgesamt um 8 Prozent, der Plastikmüll um 1500 Prozent und die Treibhausgasemissionen um 260 Prozent.

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Die umstrittene Studie

Elena Schägg, Verpackungsexpertin von der Deutschen Umwelthilfe, hält diese Studie für „tendenziös“. „Die Autoren gehen von einer Rückgabequote von 70 Prozent im Takeaway aus. Anbieter wie Vytal, ein Mehrwegsystem-Anbieter, berichten in Deutschland von einer Rückgabequote von 98 Prozent.“

Kearney sagt, dass das Geschäftsmodell von Vytal „nicht auf auf den gesamten Informellen Essen-Sektor anwendbar“ sei, weil es hohe Gebühren von 10 Euro pro Schüssel verlange, wenn die Behälter nach zwei Wochen nicht zurückgegeben wurden.

Mehrwegquoten drohen zu kippen

Die eingereichten Studien hätten die EU-Abgeordneten unter Druck gesetzt, so Burkhardt. Etwa 2700 Änderungsanträge wurden im Umweltausschuss von EU-Abgeordneten eingebracht. Die Folge: Die Mehrwegquoten für Takeaway-Essen und Mitnehmbecher habe der Umweltausschuss aus seinem Kompromiss gestrichen, sagt sie.

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In der abschließenden Verhandlung im Umweltausschuss haben sich Liberale und Konservative bei den Mehrwegquoten also durchgesetzt. Aus dem Büro der Berichterstatterin des Umweltausschusses, Frédérique Ries (Renew Europe, Liberale), hieß es vor der Sitzung, dass die Takeaway-Mehrwegquote eine Frage der Umsetzbarkeit sei. Der Schattenberichterstatter der EVP-Fraktion (Konservative), Massimiliano Salini, gilt als Gegner der Mehrwegquoten.

Gelingt McDonald‘s nur ein Teilerfolg?

Burkhardt reichte als Antwort auf die Zerschlagung von Takeaway- und To-go-Becher-Mehrwegquoten einen Änderungsantrag ein, dass es EU-weit zumindest eine Mehrwegangebotspflicht geben solle. Sie machte klar, dass sie einem Kompromiss ansonsten nicht zustimmen werde. Ries konnte sich dies zum jetzigen Zeitpunkt eigentlich nicht vorstellen.

Doch Burkhardt setzte sich durch: Der Umweltausschuss einigte sich in seinem Kompromissvorschlag auf die Mehrwegangebotspflicht für die EU nach deutschem Vorbild. Ganz hat auch McDonald‘s seinen Kampf gegen Mehrweg noch nicht gewonnen. Burkhardt hofft weiter darauf, dass es zumindest beim Vor-Ort-Verzehr keine Einwegverpackungen mehr geben darf. Sie rechnet mit einer knappen links-liberalen Mehrheit für dieses Verbot.