Friedrich Merz wird wohl Kanzler – wenn Boris Pistorius nicht antreten darf
22 Jahre nach seiner Ablösung als Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion durch Intimfeindin Angela Merkel ist Friedrich Merz dem Gipfel einen Schritt nähergekommen. Vor ihm liegen die letzten Meter, der Bundestagswahlkampf 2025, an dessen Ende der 68-Jährige tatsächlich das werden könnte, was lange niemand für möglich hielt: Regierungschef der Bundesrepublik Deutschland. Kein Geringerer als der CSU-Vorsitzende Markus Söder hat Merz am Dienstag in einer beachtlichen Komödie angeblich gegenseitiger Sympathie auf den Schild gehoben.
Entschieden ist natürlich noch gar nichts. Heutzutage ist prinzipiell alles möglich und damit auch das Gegenteil. Aber nach jetzigem Stand hat der impulsive Sauerländer die besten Chancen. Er hat bescheidene Umfragewerte. Dafür ist die konservative Drift in Deutschland längst so nachhaltig, dass Merz allein deshalb schwer zu schlagen sein dürfte. Er hat überdies Überzeugungen, während Söder gar nicht weiß, was das ist. Würde der Bayer als Regierungschef Auslandsreisen unternehmen, würde er auf den Rückflügen womöglich andere Standpunkte vertreten als auf den Hinflügen. Söder fehlt es an grundlegender politischer Seriosität. Für Bayern mag das reichen, für Deutschland nicht.
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Zur vollständigen AnsichtDer beste Unionskandidat wäre wohl der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Hendrik Wüst. Er ist mittig genug, um auch Wechselwähler anzuziehen. Doch Wüst – der kommende Mann in der CDU, wenn Merz scheitert – wird es nicht. Damit erübrigen sich alle weiteren Erwägungen.
Scholz freut sich vielleicht zu früh
Kanzler Olaf Scholz freut sich demonstrativ auf den Kandidaten Merz. Er glaubt, ihn leicht schlagen zu können. Die Erwartung besteht darin, dass Merz zu viele Mitte-Wähler abschreckt, weil seine Impulskontrolle versagt. Doch die Freude dürfte Merz bloß zusätzlich anspornen, genau das zu verhindern. 2002 haben Berater den CSU-Kanzlerkandidaten Edmund Stoiber derart weichgezeichnet, dass er Gerhard Schröder lediglich knapp unterlag. Künftig muss sich Merz disziplinieren – oder disziplinieren lassen.
Scholz selbst ist als deren Oberhaupt außerdem zu sehr mit der verhassten Ampelkoalition verhaftet. Gleiches gilt für den designierten grünen Kanzlerkandidaten Robert Habeck, der anders als 2021 nicht mehr von außen kommt, sondern als Teil des Betriebs gilt. Habeck hat noch dazu das Problem, dass die Wirtschaft lahmt und die Deutschen auf immer mehr Klimawandel mit immer mehr Verdrängung reagieren. Merz verlor über Hochwasserkatastrophen, Dürren und Brände am Dienstag kein Wort. Die Grünen spekulieren darauf, dass Habeck beides mit seinen kommunikativen Fähigkeiten überspielen kann und Wähler auf sich zieht, die weder Merz noch Scholz wählen mögen. Das sind besonders Frauen, die Scholz arrogant und Merz von gestern finden. Doch dieses Lämpchen der Hoffnung leuchtet schwach.
Pistorius könnte Merz und Habeck schlagen
Der Einzige, der den Wettbewerb aufmischen könnte, wäre Boris Pistorius – wenn sich die Sozialdemokraten einen Ruck gäben und Scholz durch ihn ersetzen würden. Pistorius könnte Merz und Habeck schlagen und für den deutschen Wahlkampf das sein, was Kamala Harris für den US-Wahlkampf ist: die Person, die alles ändert. Der Verteidigungsminister ist einer, der Vertrauen verströmt und den auch Frauen schätzen. Doch Scholz wird freiwillig nicht weichen. Der SPD-Spitze fehlt der Mumm, ihn zu zwingen. Die Wahrscheinlichkeit, dass es noch anders kommt, ist eher gering.
Womit wir wieder bei Friedrich Merz wären. Er muss weniger die CDU, die CSU oder das Berliner Regierungsviertel überzeugen, sondern über 60 Millionen Wahlberechtigte „draußen im Lande“ (Helmut Kohl). Daraus folgt: Der zum Patriarchalischen neigende Sauerländer kann – wenn er das Patriarchalische bis zum Wahltag öfter mal im Sauerland lässt – Merkels Nachnachfolger und damit Kanzler werden. Aber nur dann.