Faeser will nur mit Journalistinnen Boot fahren: Was eine Medienexpertin dazu sagt
Berlin. Frauen allein unter sich: Mit einer Presseeinladung zu einem Landtagswahlkampftermin mit ihrer Spitzenkandidatin Nancy Faeser hat die SPD in Hessen eine hitzige Debatte ausgelöst. Die SPD hat die Redaktionen gebeten, nur Journalistinnen zu einem Pressetermin auf einem Boot zu schicken. Die Bundesinnenministerin Faeser und die drei Ministerpräsidentinnen Malu Dreyer, Anke Rehlinger und Manuela Schwesig (alle SPD) seien schließlich auch alle Frauen, so die Argumentation der SPD.
Der Vorsitzende der hessischen Landespressekonferenz, Ewald Hetrodt, sagte dem Evangelischen Pressedienst: „Das ist nicht lustig, sondern ein Anschlag auf die Freiheit der Presse.“ Die Medienwissenschaftlerin Irina Gradinari von der Fernuniversität Hagen forscht zu Gender Politics und äußert im Interview mit dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) Verständnis für die Politikerinnen.
Frau Gradinari, stimmen Sie zu, dass es ein Anschlag auf die Pressefreiheit ist, wenn die SPD nur Journalistinnen zu dem Termin einlädt?
Natürlich ist es einzigartig, dass eine Partei im öffentlichen politischen Raum nur Journalistinnen und keine Journalisten einlädt. Wieso trennt die SPD die Journalisten plötzlich nach dem Geschlecht? Ist das ein Experiment? Ich würde das aber nicht als Anschlag auf die Pressefreiheit sehen. Die SPD sagt nicht, dass ein bestimmtes Medium nicht kommen darf. Aber in Bezug auf Gender werden Präferenzen hergestellt und man fragt sich: Warum?
In dieser Ansicht können leider nicht alle Inhalte korrekt dargestellt werden.
Zur vollständigen AnsichtHaben Sie dafür eine Erklärung?
Politikerinnen im öffentlichen Raum stehen unter Druck, besonders dann, wenn sie Positionen innehaben, die vorher mit Männlichkeit assoziiert wurden. Nancy Faeser ist die erste Bundesinnenministerin. Mit dem Innenministerium wird verbunden, dass es für Ordnung sorgt. Im kollektiven Bewusstsein und in den Medien wird das als männliche Tätigkeit gesehen und man schaut Faeser besonders genau auf die Finger. Möglicherweise möchte die SPD jetzt diesen Druck abschwächen, indem sie hofft, dass unter lauter Journalistinnen sich eine andere Atmosphäre einstellt, eine andere Art von Fragen gestellt werden oder sich eine Solidarität mit den Politikerinnen einstellt.
Gradinari: „Politikerinnen müssen mit Gender-Stereotypen umgehen“
Was wäre, wenn eine Partei nur männliche Journalisten zu einem Termin einladen würde? Wie würden die Frauen reagieren?
Sie würden wahrscheinlich negativ reagieren. Aber das ist schwer zu vergleichen. Männliche Politiker haben einen anderen Status. Wenn sie ein politisches Amt bekleiden, werden sie weniger hinterfragt. Es gibt trotzdem Politiker, die kritisiert werden, aber sie werden nicht so grundsätzlich als falsche Person dargestellt, wie das bei Frauen häufig der Fall ist. Deswegen brauchen Politiker solche Kampagnen gar nicht. Männer in der Politik, in der Wissenschaft oder in den Medien haben eine Position, die ihnen erlaubt, im Namen der Autorität zu sprechen. Man glaubt ihnen schneller. Politikerinnen dagegen müssen auch mit Gender-Stereotypen umgehen.
Im Filmbusiness haben sich Frauen in den letzten Jahren immer wieder unzufrieden mit ihrer Stellung gezeigt. Beim Internationalen Frauen Film Fest werden nur Filme von Frauen gezeigt. Braucht es mehr exklusive Frauenkreise in der Gesellschaft?
Dieses Filmfest ist entstanden, weil die Filme von Frauen aufgrund der mangelnden Finanzierung nicht dem Standard entsprachen, um auf den großen Festivals gezeigt zu werden. Regisseurinnen bekommen nur 56 Prozent des Budgets von männlichen Regisseuren. Ihre Filme werden nicht beachtet. Männer sind bei dem Filmfest nicht ausgeschlossen, sie können die Filme rezipieren. Ohne das Filmfest würden die Filme vieler talentierter Filmemacherinnen untergehen. Im Bundestag gibt es auch Diskrepanzen. Nur bei den Grünen gibt es viele Frauen, bei den anderen Fraktionen sind es weniger. Der politische Normalbetrieb wird als männliche Tätigkeit gesehen. Vielleicht braucht auch die Politik mehr weibliche Räume.