Neue Krisenverordnung

Streit über EU‑Asylreform: Faeser sieht Fortschritte – Italien verschärft Regeln für Migration

Migranten sitzen auf der Insel Lampedusa. Zahlreiche Menschen versuchen weiter jeden Tag, aus Afrika nach Europa zu gelangen.
Migranten sitzen auf der Insel Lampedusa. Zahlreiche Menschen versuchen weiter jeden Tag, aus Afrika nach Europa zu gelangen.

Brüssel. Bundesinnenministerin Nancy Faeser sieht Fortschritte bei den Diskussionen über eine umstrittene Krisenverordnung für die geplante europäische Asylreform. „Wir sind schon sehr weit gekommen in den Verhandlungen heute Nacht“, sagte die SPD-Politikerin am Donnerstag vor einem Treffen der EU‑Innenminister in Brüssel. Über einzelne Aspekte werde noch verhandelt. Sie sei aber sehr zuversichtlich, dass Deutschland bestimmte Punkte noch erreiche. Faeser betonte, dass ein Staat im Krisenfall nicht leichtfertig die Standards für Schutzsuchende herabsenken dürfe.

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Geplante EU-Asylreform: Bundesregierung akzeptiert Krisenverordnung doch
Die Krisenverordnung ist ein Kernelement der EU-Asylreform, mit der unter anderem unerwünschte Migration begrenzt werden soll.

Die Krisenverordnung ist ein Kernelement der geplanten EU‑Asylreform, mit der unter anderem die irreguläre Migration begrenzt werden soll. So soll etwa bei einem besonders starken Anstieg der Migration der Zeitraum verlängert werden können, in dem Menschen unter haftähnlichen Bedingungen festgehalten werden können.

Grüne fürchten Herabsenkung der Schutzstandards

Deutschland ist in den vergangenen Tagen wegen seiner fehlenden Zustimmung für den Teil der Reform zunehmend unter Druck geraten. Am Mittwoch hatte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) nach Angaben aus Regierungskreisen im Kabinett den Kurs ausgegeben, dass die Krisenverordnung nicht länger blockiert werden dürfe. Insbesondere die Grünen hatten die Verordnung in der Vergangenheit abgelehnt, weil sie befürchteten, dass in Krisensituationen die Schutzstandards für Migrantinnen und Migranten in inakzeptabler Weise abgesenkt werden könnten.

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EU-Asylreform: Baerbock warnt vor Krisenverordnung
Bei der Reform der europäischen Migrationspolitik warnt Außenministerin Baerbock vor der Einführung der sogenannten Krisenverordnung.

Italien will schnellere Abschiebungen möglich machen

Die italienische Regierung hat derweil schärfere Regelungen für Migrantinnen und Migranten beschlossen. Diese gaben Minister der Regierung von Giorgia Meloni am Mittwochabend in Rom bekannt. Mit dem neuen „Dekret für Migration und Sicherheit“ wird einerseits der Schutz Minderjähriger verringert, andererseits sollen Abschiebungen schneller erfolgen können.

Minderjährige, die älter als 16 Jahre sind, können von nun an auch in Aufnahmeeinrichtungen für Erwachsene untergebracht werden. Stellt sich nach Überprüfungen heraus, dass jemand bei der Ankunft in Italien falsche Angaben zu seinem Alter gemacht hat, um sich als minderjährig auszugeben, kann laut den neuen Regelungen eine sofortige Abschiebung die Folge sein. Wenn nach der Ablehnung eines Asylantrags ein Ausweisungsverfahren läuft, kann kein erneuter Antrag auf Schutz gestellt werden. Nicht-EU‑Bürgerinnen und ‑Bürger, die schon länger in Italien leben, sollen auch bei Straftaten, die keine Gefängnisstrafe nach sich ziehen, schneller ausgewiesen werden können.

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Italiens Innenminister: Schutz Minderjähriger hört nicht auf

„Wir weichen nicht von den Schutzmaßnahmen ab“, sagte Innenminister Matteo Piantedosi bei der Vorstellung der neuen Regelungen für Minderjährige. Es sei lediglich vorgesehen, dass der zuständige Präfekt für Über-16‑Jährige im Falle von Überfüllung der Zentren für Minderjährige einen „vorübergehenden Aufenthalt“ in Zentren für Erwachsene von höchstens 90 Tagen anordnen könne. Der Schutz und die unterschiedliche Behandlung für Minderjährige hörten jedoch nicht auf. Eine Forderung der Bürgermeister, die Plätze in den Einrichtungen für Minderjährige zu erhöhen, wurde von der Regierung in Rom nicht umgesetzt.

Protest kam unter anderem von der italienischen Bischofskonferenz. Eine „Lösung des Migrationsproblems“ werde nur im Hinblick auf Ablehnung, Eindämmung und den Schutz der öffentlichen Ordnung betrachtet, sagte Generalsekretär Giuseppe Baturi laut der Nachrichtenagentur Ansa. Minderjährige, betonte er, seien ebenso wie Frauen schutzbedürftiger.

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Dem UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR zufolge sind in diesem Jahr bereits etwa 186.000 Menschen über das Mittelmeer in Europa angekommen. Von diesen seien mit 130.000 die meisten in Italien registriert worden, was einem Anstieg von 83 Prozent im Vergleich mit dem Vorjahreszeitraum entspreche. Dies erklärte die Direktorin des UNHCR-Büros in New York, Ruven Menikdiwela, am Donnerstag im UN-Sicherheitsrat.

Die Zahl der Vermissten und Toten im Zeitraum von Anfang Januar bis zum 24. September liege bei über 2500 Menschen, hieß es. Die internationale Migrationsorganisation IOM hatte kürzlich bereits von über 2700 Toten und Vermissten gesprochen.

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Laut Vereinten Nationen legten die meisten Migrantinnen und Migranten mit mehr als 100.000 aus Tunesien ab, gefolgt von Libyen mit über 45.000. Neben Italien steuerten die Boote auch Griechenland, Spanien, Zypern und Malta an. Der starke Anstieg der Migrationszahlen hatte zuletzt zu Spannungen innerhalb der EU über Maßnahmen für ihre Begrenzung gesorgt.

RND/dpa/epd

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