Wenig Ostdeutsche in Führungspositionen: Das sagen Wissenschaftler zu den Gründen
In Deutschland sind immer noch zu wenige Ostdeutsche in Führungspositionen – gemessen an ihrem Bevölkerungsanteil. Das geht aus der Studie „Elitenmonitor“ von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern unter anderem der Universität Leipzig hervor. Demnach kommen 12,2 Prozent der Eliten aus den neuen Bundesländern. Dabei machen Ostdeutsche 20 Prozent der Bevölkerung aus.
Der Projektsprecher Lars Vogel berichtet allerdings von einem „leichten Trend“, wonach sich der Anteil der ostdeutschen Führungskräfte etwas erhöht habe. 2018 kamen der Studie zufolge nur 10,9 Prozent der Eliten aus dem Osten Deutschlands.
Allerdings bestehe die personelle Unterrepräsentation der Ostdeutschen fort. „Das führt dazu, dass Menschen aus diesen Regionen Deutschlands sich teilweise als Bürger zweiter Klasse fühlen“, hieß es weiter. Besonders gering ist der Anteil Ostdeutscher in Führungspositionen in den Medien, der Kultur und den Glaubensgemeinschaften. In der Wirtschaft liegt der Anteil lediglich bei 4,3 Prozent. Beim Militär gebe es keinen einzigen Ostdeutschen mit dem höchsten Dienstgrad.
Westdeutsche Führungskräfte rekrutieren westdeutsche Nachfolger
Astrid Lorenz, Forscherin der Universität Leipzig, sieht einen „Mix an Ursachen“. Dazu gehöre die Neigung der Eliten, ihre Nachfolger selbst zu rekrutieren, sagte sie. Auf westdeutsche Führungskräfte folgten dann Gesichter, die ebenfalls aus dem Westen kämen. Dadurch fehle es den Ostdeutschen an Vorbildern, die sie motivierten, selber eine Elitenlaufbahn einzuschlagen.
Ein weiterer Grund sei, dass es den Bürgern aus dem Osten Deutschlands an Netzwerken fehle, die äußerst wichtig für die Karriere seien, sagte Lorenz. Dadurch, dass viele Studierende in Ostdeutschland Bafög bekämen, sei der Anteil der Studierenden mit einem Stipendium geringer. „Aber ein Stipendium bedeutet mehr als Geld“, ergänzte Lorenz: Stipendien bedeuteten auch Kontakte.
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Zur vollständigen AnsichtOstbeauftragter will sensibilisieren
Zudem wirkten Strukturen aus der DDR nach, genauso wie bestimmte Kulturmuster. In der DDR sei man wegen Beförderungen gefragt worden, fügte die Forscherin hinzu. Proaktiv für die eigene Karriere einzustehen sei für Ostdeutsche immer noch ungewohnt.
Der Beauftragte der Bundesregierung für Ostdeutschland, Carsten Schneider (SPD), will dafür sensibilisieren, dass es mehr Ostdeutsche in Führungspositionen brauche. Bei den Leitungsämtern in den Ministerien sei man auf einem guten Weg, betonte der SPD-Politiker. Laut Koalitionsvertrag will die Bundesregierung grundsätzlich erreichen, dass die Ostdeutschen in Führungspositionen nicht mehr unterrepräsentiert sind.
Schirdewan fordert Quote für Ostdeutsche
Schneider sagte: „Es ist nun das Fenster offen, dass Ostdeutsche Führungsverantwortung übernehmen können.“ Allerdings kommt der Elitenmonitor zu dem Schluss, dass das Fenster schon seit 2018 offen gewesen sei, da 57 Prozent der Eliten seitdem ausgeschieden sind. Aber nur 8,1 Prozent dieser Stellen wurden mit ostdeutschen Führungskräften besetzt.
Linkenparteichef Martin Schirdewan forderte eine Debatte über Quoten: „Wenn den Ostdeutschen der Aufstieg verbaut ist, müssen wir ihnen den Weg ebnen. Wir sollten deshalb über Quoten für Ostdeutsche nachdenken – etwa in Politik und Verwaltung“, sagte er dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). „Auch spezielle Förderprogramme für ostdeutsche Studierende sind denkbar.“
Sepp Müller, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der CDU-Bundestagsfraktion aus Dessau, hält nichts von einer Quote. „Die Debatte über eine Quote führt am Ziel vorbei“, sagte er dem RND. Stattdessen müssten die Ostdeutschen lauter werden und sich durch Netzwerke bekannter machen.