BA.2.86: Was über die neue Corona-Variante Pirola bekannt ist – und was nicht

Der internationale Notstand wegen Covid-19 ist seit Monaten beendet, doch das Coronavirus bleibt. Die Zahl der gemeldeten Corona-Fälle ist in Deutschland zuletzt wieder gestiegen. Dass sich jetzt wieder vermehrt Menschen mit dem Virus infizieren, ist laut des Robert Koch-Instituts (RKI) auf eine neue Variante zurückzuführen: EG.5, auch genannt Eris.
Doch Fachleute diskutieren in diesen Tagen über eine ganz andere Variante. Sie ist mittlerweile in vielen Ländern der Welt aufgetaucht und trägt die Bezeichnung BA.2.86.
Die wichtigsten Fragen und Antworten
Wo wurde BA.2.86 schon nachgewiesen?
Bisher liegen erst wenige Nachweise vor, jedoch aus verschiedenen Ländern. Unter anderem aus Dänemark, dem Vereinigten Königreich, den USA, Israel und der Schweiz. Das deute auf eine bereits weite Verbreitung hin, sagt Richard Neher, Spezialist für Corona-Varianten am Biozentrum der Universität Basel.
In Deutschland ist BA.2.86 laut RKI noch nicht nachgewiesen. „Das liegt sicherlich nicht daran, dass es die hier nicht gibt“, merkte Virologin Sandra Ciesek am Mittwoch im Gespräch mit dem Science Media Center an, „sondern dass wir gar nicht mehr nach ihr gucken.“
Die Überwachung des Coronavirus hat in Deutschland deutlich nachgelassen. Die Testrate ist gesunken und Sequenzierungen, mit denen man herausfinden kann, welche Virusvarianten zurzeit vermehrt zirkulieren, finden kaum noch statt, weil sie nicht mehr vergütet werden. Übrig bleibt nur noch das Abwassermonitoring – und das sei „immer noch nicht repräsentativ“.
Warum diskutieren Fachleute über BA.2.86?
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) stufte BA.2.86 – die von Fachleuten auch als „Pirola“ bezeichnet wird – bereits als eine von derzeit sieben „variants under monitoring“ ein. Fachleute finden es erstaunlich, dass BA.2.86 im Vergleich zu den nächsten Verwandten knapp 30 Veränderungen im Spike-Protein aufweist.
„So richtig viel wissen wir noch nicht über diese Variante“, sagte Virologin Ciesek. Fachleute gehen davon aus, dass sie im Körper eines Menschen mit geschwächtem Immunsystem entstanden ist und dann übertragen wurde. „Da muss man, denke ich, noch ein paar Wochen abwarten, bis man wirklich beurteilen kann, was diese Variante so anders macht.“
Angepasster Corona-Impfstoff von Biontech ab 18. September erhältlich
Cieseks Kollegin Isabella Eckerle vermutet, dass BA.2.86 eine deutliche Immunflucht aufweist. „Das heißt: Unsere Antikörper werden Schwierigkeiten haben, sie zu erkennen“, sagte die Virologin im Interview mit dem „Spiegel“. Das könnte auch der Grund dafür sein, warum sich die Corona-Variante derzeit so verbreitet.
Wie gefährlich könnte BA.2.86 werden?
Manche fühlen sich bei BA.2.86 an die Anfangszeit von Omikron erinnert. Omikron bedeutete einen großen Sprung in der Virusevolution und verbreitete sich weltweit extrem schnell. Doch das muss sich mit BA.2.86 nicht wiederholen. „Solche stark mutierten Virusvarianten werden sporadisch gemeldet, aber es handelt sich typischerweise um isolierte Beobachtungen, die sich nicht weiter ausbreiten“, sagt Neher. Ob und wie schnell sich BA.2.86 ausbreite, bleibe noch abzuwarten.

Das Post-Corona-Gefühl: Mich wird’s schon nicht treffen
Steigende Infektionszahlen, Long-Covid-Schicksale in den Medien und der nahende Herbst – Covid-19 ist noch lange nicht Geschichte. Trotzdem wollen viele Deutsche nichts mehr vom Virus hören und sehen. Der Mensch verdrängt Angst und Folgen – was im Falle von Corona fahrlässig sein kann, wie ein Psychologe sagt.
Virologin Eckerle geht davon aus, dass wir bald eine Zunahme an Infektionen mit BA.2.86 sehen werden. „Dann, finde ich, könnte man BA.2.86 mit dem nächsten Buchstaben im griechischen Alphabet benennen: Pi“, sagte sie.
Der Bonner Virologe Hendrik Streeck ruft indes bei der Diskussion um BA.2.86 zu mehr Gelassenheit auf. „Ich halte nichts davon, über jede Variante Furchtappelle auszustoßen. Denn die Grundimmunität gegen Corona haben wir, und die geht nicht verloren“, sagte Streeck der „Rheinischen Post“ (Samstag). Die aktuell zu beobachtenden Varianten würden alle „keine Unterschiedlichkeit in Symptomatik und Krankheitsschwere“ aufweisen. Es handele sich vielmehr um „Immunfluchtvarianten, sodass das Immunsystem an der einen oder anderen Stelle das Virus vielleicht nicht sofort erkennt“.
Wir haben diesen Artikel am 6. September 2023 um Einschätzungen der Virologin Sandra Ciesek ergänzt.
RND/bk/dpa/epd/lb




