Getöteter Sechsjähriger bei Neubrandenburg: Polizei beendet große Suchaktion
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Polizeikräfte gehen zum abgesperrten Fundort am See, wo am Abend der schwer verletzte Sechsjährige gefunden wurde, der später an seinen Verletzungen verstarb. Die Polizei ermittelt wegen Totschlags.
© Quelle: Bernd Wüstneck/dpa
Pragsdorf. Zwei Tage nach dem gewaltsamen Tod eines kleinen Jungen in Pragsdorf bei Neubrandenburg hat die Polizei bisher keinen Tatverdächtigen gefunden. „Wir setzen die Ermittlungen jetzt mit kriminaltechnischen Untersuchungen fort“, sagte eine Polizeisprecherin am Samstag in Neubrandenburg im Südosten Mecklenburg-Vorpommerns. Außerdem werden Hinweise von Bürgern überprüft, um herauszufinden, was sich am Donnerstagabend an dem Kinder-Treffpunkt am See in Pragsdorf abgespielt hat.
Zudem überprüften die Ermittler nach eigenen Angaben Bewegungen von Fahrzeugen. Die großräumige Suche mit vielen Kräften und Bereitschaftspolizisten, die am Freitag in der Region im Einsatz waren, sei zunächst abgeschlossen.
Am Freitag fand die Polizei bei der Suche um den Fundort der Leiche ein Messer. „Der Gegenstand wird jetzt kriminaltechnisch untersucht“, sagte der Sprecher der Neubrandenburger Staatsanwaltschaft, Tim Wischmann, der „Ostsee-Zeitung“. Ob es sich um das Tatwerkzeug handele, sei offen. Bis zum späten Nachmittag sei noch kein Tatverdächtiger ermittelt worden.
Der Junge war am Donnerstagabend in einem Gebüsch in der Nähe eines Bolzplatzes an einem See von Feuerwehrleuten mit „massiven Verletzungen am Oberkörper“ gefunden worden. Sofort eingeleitete Wiederbelebungsversuche von Medizinern und ein schneller Transport in eine Klinik blieben erfolglos. Die Ärzte konnten das Leben des Kindes nicht retten.
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15.09.2023, Mecklenburg-Vorpommern, Pragsdorf: Polizisten durchkämmen den Bereich rund um den Tatort am See und schauen dabei auch unter Autos, wo am Abend des 14.09.2023 der schwer verletzte Sechsjährige gefunden wurde, der später an seinen Verletzungen verstarb. Die Polizei ermittelt wegen Totschlags. Foto: Bernd Wüstneck/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
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Noch unklar, ob Fundort auch Tatort ist
Die Eltern hatten den Sechsjährigen am Donnerstag wie häufig zum Spielen ins Dorf gelassen. Das Kind wurde dann als vermisst gemeldet, weil er nicht wie vereinbart wieder nach Hause gekommen war und erste Suchaktionen erfolglos geblieben waren. Die Vermisstenmeldung war laut Polizei kurz vor 20.00 Uhr eingegangen. Beamte umliegender Reviere und Bereitschaftspolizisten hätten den Bereich in Pragsdorf sofort durchsucht, sagte eine Polizeisprecherin. Etwa gegen 21.00 Uhr am Donnerstag wurde der leblose Junge von Feuerwehrleuten gefunden.
In Pragsdorf an der Bundesstraße 104 leben nur 580 Menschen und laut dem Bürgermeister Ralf Opitz vergleichsweise viele Kinder. „Ich hatte mich auch an der Suche beteiligt - bis die Kameraden den schrecklichen Fund gemacht haben“, sagte der 54-Jährige.
Ob der Fundort auch der Tatort ist, da wollte sich Staatsanwalt Wischmann noch nicht festlegen. Anwohner berichteten aber, dass sie am Donnerstag laute Stimmen am Bolzplatz gehört hätten, die möglicherweise von einem Streit herrühren könnten. Am Fundort konnte die Polizei laut Wischmann viele Spuren sichern.
Das Gelände war noch am Freitag weiträumig mit rot-weißem Flatterband abgesperrt. Polizisten und Helfer suchten nach einer Tatwaffe und anderen Beweisstücken. In der Nähe des Sees kam dabei auch ein Metalldetektor zum Einsatz. Auch Taucher rückten an. Am Nachmittag wurden Suchketten mit je 25 Beamten gebildet. Sie streiften mit langen Eisenstangen systematisch die Fläche ab, sich langsam vom See entfernend.
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Auch Polizeitaucher waren im Einsatz.
© Quelle: Bernd Wüstneck/dpa
Im Dorf waren am Freitag überhaupt viel Bewegung. Etliche Reporter versuchten, die Einwohner zu befragen - was einige als befremdlich empfanden. Aber auch die Bewohner selbst waren unterwegs: Sie wurden von der Polizei in ein Feuerwehr- und Gemeindehaus gebeten, wo sie zu den Ereignissen befragt wurden. Wenn sich Bewohner danach begegneten, tauschten sie sich auch aus.
„Die Anteilnahme und die Aussagebereitschaft sind sehr hoch - das muss nun erst mal aufgeschrieben und verglichen werden“, sagte eine Polizeisprecherin. Sollte man keinen Verdächtigen finden, würden die Ermittlungen am Wochenende fortgesetzt. Auch zum Motiv könne man noch nichts sagen.
Spendenaktion für Familie des toten Kindes
Die Gemeinde Pragsdorf hat auf der Internetplattform Facebook ihre Trauer nach dem Tod des Kindes bekundet. „Mit Trauer und Bestürzung haben wir heute früh vom schrecklichen Gewaltverbrechen und dem Tod von J. erfahren. Die Gedanken sind derzeit natürlich vor allem bei der Familie und den Angehörigen“, hieß es. Gleichzeitig bat man darum, brauchbare Hinweise umgehend der Polizei zu melden.
Auf der Facebook-Seite der Gemeinde wurde auch auf eine Spendenaktion für die Familie des toten Kindes hingewiesen. Innerhalb weniger Stunden waren bereits rund 20.000 Euro gesammelt worden.
Viele Menschen bei Gedenken an toten Jungen in Kirche Pragsdorf
Am Freitagabend erinnerten die Bewohner des Dorfes mit einem stillen Gedenken an den getöteten Sechsjährigen. Etwa 200 Menschen kamen in die Kirche, um den betroffenen Eltern ihre Anteilnahme zu zeigen, sagte Pastor Heye Osterwald. Das Gotteshaus sei – im Beisein der Eltern des getöteten Jungen – bis auf den letzten Platz gefüllt gewesen. Zu dem Gedenken hatte die evangelisch-lutherische Kirchengemeinde Alt Käbelich-Warlin eingeladen, zu der Pragsdorf gehört.
Zu Beginn sprach der Pastor ein Gebet und wenige einführende Worte, danach gingen Leute nach vorn, entzündeten ruhig Kerzen und stellten sie auf den Altar, wo auch Blumen abgelegt wurden. Anschließend unterhielten sich einige vor der Kirche, andere gingen schweigend nach Hause. „Die Menschen haben gezeigt, dass sie die Eltern mit ihrer Trauer nicht allein lassen“, sagte Pragsdorfs Bürgermeister Ralf Opitz.
Psychologische Hilfe für Mitschülerinnen und Mitschüler
Der Junge ist laut Opitz erst im August eingeschult worden. Das Schweriner Bildungsministerium teilte mit, dass Psychologen die Mitschülerinnen und Mitschüler in Grundschule in Burg Stargard sowie das Lehrpersonal unterstützen sollen. Zudem sei ein Trauerort in der Schule eingerichtet worden.
„Während uns der Todesfall höchst betroffen und sprachlos zurücklässt, ist es unsere Aufgabe und Pflicht, nun die Familien und Freunde, Mitschülerinnen und Mitschüler sowie Lehrkräfte dabei zu unterstützen, mit der unfassbaren Situation umzugehen“, wurde Mecklenburg-Vorpommerns Bildungsministerin Simone Oldenburg (Linke) zitiert. „Ihnen gilt mein tief empfundenes Mitgefühl.“
Ab Montag werde an der betroffenen Schule für eine gesamte Woche auf Leistungskontrollen verzichtet. Schulpsychologinnen seien vor Ort. An Eltern sei ein Brief mit Unterstützungsangeboten verschickt worden. Betroffene sollen auf Wunsch ebenfalls psychologisch begleitet werden.
RND/dpa