Irreguläre Migration: neue Debatte um Grenzkontrollen zu Polen und Tschechien

Berlin. Angesichts einer anhaltend hohen Zahl unerlaubter Einreisen von Geflüchteten vor allem über die Grenzen der ostdeutschen Bundesländer verschärft sich die Debatte über Gegenmaßnahmen. Nach Angaben der Bundespolizei wurden bis Ende Juni rund 45.000 sogenannte irreguläre Grenzübertritte festgestellt. Die meisten Geflüchteten kommen aus Syrien, Afghanistan, der Türkei, Georgien und Russland.
Unionsfraktionschef Friedrich Merz sagte am Mittwoch im Bundestag, er wolle keine neuen Grenzkontrollen, und meinte damit offenbar durchgehende Kontrollen an den Außengrenzen, wie es sie vor der Einführung des Schengen-Systems gegeben hatte. Es gelte aber, die Grenzen zu Polen und Tschechien „so zu kontrollieren, wie das zu Österreich geschieht“. Nur dort gibt es punktuell stationäre Kontrollen, bei denen die Bundespolizei Menschen direkt wieder zurückweisen kann.
Bundesregierung will Abschiebungen erleichtern
Kanzler Olaf Scholz (SPD) verwies hingegen auf die jüngsten Entscheidungen der Bundesregierung. Sie will Abschiebungen erleichtern, etwa durch eine Verlängerung des Abschiebegewahrsams oder effektivere Kontrollen in Flüchtlingsunterkünften. Zudem hat das Kabinett jüngst beschlossen, Georgien und Moldau zu sicheren Herkunftsstaaten zu erklären. Antragsteller aus sicheren Herkunftsstaaten haben sehr viel größere Probleme, eine etwaige Verfolgung nachzuweisen. Sie müssen Deutschland schneller wieder verlassen und können sich juristisch schlechter dagegen wehren.
Von Januar bis Juli gab es 6612 Asylanträge von Georgiern und 1910 Asylanträge von Moldauern, die Anerkennungsquote liegt gemeinhin bei 0,1 Prozent. In demselben Zeitraum stellten insgesamt rund 175.000 Menschen erstmals einen Asylantrag in Deutschland. Das waren rund 78 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum.

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Der Ostbeauftragte der Bundesregierung, Carsten Schneider (SPD), sagte dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND): „Irreguläre Migration verstößt gegen deutsches und europäisches Recht. Sie muss verhindert werden.“ Dabei sei der jüngste Beschluss der Innenminister der Europäischen Union „der größte Fortschritt seit einem Jahrzehnt“. Die Einigung sieht Asylverfahren an den EU-Außengrenzen vor.
Schneider fügte indes hinzu: „Manche aktuell diskutierten Vorschläge wie stationäre Grenzkontrollen scheinen mir nicht angemessen zu sein. Es wäre ein starker Eingriff für die grenznahen Regionen und die vielen Berufspendler.“ Und Schleierfahndung gebe es bereits. „Weiter gehende Maßnahmen halte ich derzeit für nicht angezeigt“, betonte der SPD-Politiker. „Stattdessen müssen Menschen, die zu uns kommen und kein Asylrecht haben, zurückgeführt werden.“
Sachsen und Brandenburg ergreifen eigene Maßnahmen
Unterdessen ergreifen Brandenburg und Sachsen zunehmend eigene Maßnahmen. Brandenburgs Innenminister Michael Stübgen (CDU) will den Druck auf Schleuserbanden erhöhen und dafür die Landespolizei intensiv in der Grenzregion zu Polen einsetzen. Illegale Einwanderung könne damit aber nicht direkt verhindert werden, unterstrich das Innenministerium. Das gehe allein, wenn die Bundesregierung Grenzkontrollen nach Schengen-Kodex notifiziere. Stübgen fordert von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) seit Monaten vergeblich, wie an der bayerisch-österreichischen Grenze auch an der polnischen Grenze stationäre Kontrollen zu ermöglichen.
Sachsen schickt neuerdings mehr Landespolizisten zu Kontrollen in die Grenzregionen; sie richten sich ebenfalls vornehmlich gegen Schleuser. Auch deren Vollmachten sind freilich beschränkt, weil für Kontrollen an den deutschen Außengrenzen eigentlich die Bundespolizei zuständig ist.




