Debatte um Sozialausgaben

Ökonomen: Rentenpaket muss gestoppt werden

Debatte um die Rente: Eine Gruppe von Ökonomen hat sich auf die Seite der Jungen Union geschlagen.
Debatte um die Rente: Eine Gruppe von Ökonomen hat sich auf die Seite der Jungen Union geschlagen.

Berlin. Es dürfte sich nicht um einen Zufall handeln. Mitten in die Debatte über das künftige Rentenniveau platziert das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft (IW) eine Studie über die Entwicklung der deutschen Staatsausgaben im Vergleich zu europäischen Nachbarländern. Die besonders hervorgehobene Aussage darin: Deutschland gebe mit 41 Prozent der Gesamtausgaben mehr Geld für die soziale Sicherung aus als andere europäische Staaten, einschließlich der nordischen Länder.

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Mitten im Rentenstreit und zu Beginn der Haushaltswoche zum Etat 2026 im Parlament raten die Experten der Bundespolitik, „einem weiteren Aufwuchs der staatlichen Aktivität und vor allem der Sozialausgaben entgegenzutreten“. Parallel schaltet sich eine Gruppe von Ökonomen in die politische Auseinandersetzung über das Rentenpaket der Bundesregierung ein, mit dabei IW-Chef Michael Hüther. Die Linke spricht von einer „konzertierten PR-Aktion“. In der Sache zeichnet sich im festgefahrenen Rentenstreit bislang keine Lösung ab.

EU-Durchschnitt liegt bei 39 Prozent

Die nordischen Länder sowie Österreich und die Schweiz geben laut der IW-Studie jeweils 40 Prozent ihrer gesamten Staatsausgaben für die soziale Sicherung aus, in den Benelux-Ländern sind es 38 Prozent. Der EU-Durchschnitt liegt bei 39 Prozent. Deutschland liegt mit dem Wert von 41 Prozent also über dem Niveau der Vergleichsstaaten. Zu dem Komplex zählen die IW-Experten neben der Alterssicherung unter anderem auch die Arbeitslosenversicherung und Bürgergeld/Sozialhilfe.

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Interessant wird es allerdings, wenn man die Altersversorgung getrennt betrachtet - was das IW getan hat, ohne aber die Ergebnisse gesondert hervorzuheben: So lag der Anteil der Alterssicherung an den Gesamtausgaben in den 2000er Jahren in Deutschland noch über dem EU-Durchschnitt und recht nah am Spitzenreiter Österreich/Schweiz. Seit 2010 liegt Deutschland jedoch unter dem EU-Durchschnitt und mit gut 20 Prozent etwa 2 bis 2,5 Prozentpunkte unterhalb der Ländergruppe Österreich/Schweiz.

Kürzungen bei den staatlichen Ausgaben kämen den Arbeitgeberverbänden zugute, die Bürgerinnen und Bürger müssten sich teuer selbst absichern.

Paritätischer Gesamtverband

Auch gemessen am Bruttoinlandsprodukt (BIP) liegt Deutschland bei der Alterssicherung mit einem Wert von 9,5 Prozent unter dem EU-Schnitt (11 Prozent). „Deutschland gibt im Verhältnis zum BIP weniger für soziale Sicherung aus als viele Vergleichsländer, weniger noch als die USA“, erklärte der Paritätische Gesamtverband in Reaktion auf die Studie. „Kürzungen bei den staatlichen Ausgaben kämen den Arbeitgeberverbänden zugute, die Bürgerinnen und Bürger müssten sich teuer selbst absichern.“

Der Vorsitzende der Linksfraktion, Sören Pellmann, kritisierte, der IW-Bericht sei „in großen Teilen unseriös“, stelle schiefe Vergleiche an und verfolge eine eigene Agenda.

Appell namhafter Ökonomen

Auch von anderer Stelle richtet sich ein Appell an die Bundesregierung. Eine Gruppe von 22 namhaften Ökonomen rief die schwarz-rote Koalition dazu auf, das Rentenpaket zurückzunehmen. Unter den Unterzeichnern sind neben dem IW-Chef mehrere der fünf „Wirtschaftsweisen“. Sie argumentieren, Rentenpolitik müsse langfristig, berechenbar und fiskalisch nachhaltig sein. Das Paket der Regierung verfehle dieses Ziel und verschiebe die Lasten weiter zu den Jüngeren. Es sollte daher „in Gänze“ gestoppt werden.

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Die Wissenschaftler schlagen sich damit auf die Seite der 18 jungen Unions-Abgeordneten, die sich gegen einen konkreten Passus im Rentenpaket auflehnen und ohne eine Änderung daran ihre Zustimmung im Parlament verweigern.

Der Stand im Rentenstreit

Der Streit dreht sich um das Rentenniveau, also die Absicherung der Rente im Verhältnis zu den Löhnen. Im Koalitionsvertrag ist vereinbart, dies bis 2031 bei 48 Prozent festzuschreiben. In einem vom Kabinett beschlossenen Gesetzentwurf von Arbeitsministerin und SPD-Chefin Bärbel Bas ist allerdings vorgesehen, dass das Rentenniveau nach 2031 noch um rund einen Prozentpunkt höher liegen soll als im geltenden Recht. Dagegen laufen die jungen Unions-Abgeordneten Sturm. Und wegen der Koalitionsmehrheit von nur 12 Stimmen im Bundestag können sie die Pläne tatsächlich blockieren.

Die Junge Gruppe der Unionsfraktion argumentiert, der Zusatz für die Zeit nach 2031 gehe über den Koalitionsvertrag hinaus und verursache Kosten von rund 120 Milliarden Euro. Das sei der jungen Generation nicht zuzumuten. Die SPD dagegen lehnt jede Nachverhandlung ab, sieht den Passus vom Koalitionsvertrag gedeckt und hat dabei die Rückendeckung von Kanzler und CDU-Chef Friedrich Merz.

Eine Lösung ist nicht in Sicht. Die Junge Gruppe bleibt bei ihrem Widerstand und zeigt sich von den bisherigen Angeboten der Unions-Führung unbeeindruckt. Merz hat zugesagt, auf das Rentenpaket sollten rasche grundsätzliche Reformen folgen, sodass die befürchteten Folgekosten gar nicht entstünden. Das ließe sich in einem Entschließungsantrag oder einem anderweitigen „Begleittext“ zum Gesetz festhalten. Außerdem könnten die Kritiker einen Sitz in der geplanten Rentenkommission bekommen, deren Arbeit vorgezogen und beschleunigt werden soll.

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Doch ein unverbindlicher Begleittext zu einem verbindlichen Gesetz reicht den Jungen nicht, und einen Sitz in der Kommission wollen sie gar nicht. Die Regierung bat am Montag offiziell noch um Geduld, bis eine Lösung stehe.