Stuttgarts Aussortierte proben den Aufstand

Dortmund. Um Deniz Undav ging es bei der Stuttgarter Klagewelle in Richtung Bundestrainer Julian Nagelsmann selten. Umso mehr rätselte man, warum Angelo Stiller und Maximilian Mittelstädt - der sogar zum zweiten Mal in Folge - keine Einladung zur deutschen Fußball-Nationalelf bekommen hatten. Doch spätestens jetzt wird auch der 29 Jahre alte Stürmer des VfB wieder Gesprächsthema rund um die DFB-Auswahl.
Mit drei Toren in der zweiten Halbzeit überragte Undav beim wilden 3:3 (0:2) in Dortmund. Dabei hatte sein Samstagnachmittag unglücklich begonnen. Weil er Nico Schlotterbeck foulte, kam die Borussia per Foulelfmeter von Emre Can (34. Minute) zur Führung. Vor der Pause stellte Maximilian Beier (41.) auf 2:0.
Nach dem Seitenwechsel begannen allerdings die Festspiele des Stuttgarter Torjägers, der seinem dritten Treffer, erzielt als direkte Antwort auf das kurz zuvor erzielte 3:2 durch Karim Adeyemi (89.), am Sky-Mikrofon selbst das Prädikat „Weltklasse“ verlieh. Eine Hereingabe des (ebenfalls ehemaligen Nationalspielers) Chris Führich wartete er hinter Schlotterbeck ab, drehte sich, schoss gekonnt durch die Beine des Dortmunders Abwehrspielers und setzte den Ball neben den Pfosten. Eben ein „abgezockter Hund“ sei Undav, scherzte BVB-Profi Beier über den Ex-DFB-Kollegen.
Wie beim 1:2 zwei Minuten nach der Halbzeit. Einen hohen Ball nach Mittelstädts Flanke und einer Kopfballverlängerung von Bilal El Khannouss wartete Undav neben Can ab und lupfte mit dem Außenrist über Kobel – ein sehenswerter Treffer. „Es kommen nicht viele auf die Idee, das so zu machen“, lobte VfB-Trainer Sebastian Hoeneß. Beim 2:2 spekulierte Undav am zweiten Pfosten und vollendete gekonnt.

„Zwischen Kreisklasse und Weltklasse“ ordnete Teamkollege Stiller das Potenzial Undavs ein; in den vergangenen Spielen seit der Rückkehr nach seinem Innenbandanriss im linken Knie spielt der gebürtige Norddeutsche am oberen Limit dieser Skala. Nach zwei Toren gegen Augsburg (3:2) ließ er die Drei-Tore-Gala in Dortmund folgen und steht nun bei sechs Treffern in den vergangenen vier Liga-Partien.
Hoeneß sieht „Weltklasse“ bei Undav - er selbst auch
„Und ich bin kein klassischer Stürmer, sagen alle, kein richtiger Neuner“, ließ Undav in seiner gewohnt direkten Art im TV-Interview fallen. Was seinen Schützling auszeichnet, weiß Coach Hoeneß genau: „In der ersten Halbzeit war er noch nicht auf dem Level. Seine Stärke ist, von null auf hundert da zu sein. Es ist jemand, der nach Instinkt Fußball spielt.“ Deshalb, meinte der 43-Jährige, gelingen Tore wie das erste und das letzte gegen die Schwarz-Gelben. Und in diesem Fall, sagte Hoeneß, sei die Kategorie „Weltklasse“ angebracht.
„Wenn ich zwei, drei Spiele nicht treffe, bin ich wieder ein schlechter Spieler, deswegen gebe ich einfach Gas.“
Deniz Undav
Stürmer VfB Stuttgart
Mit den Qualitäten, die Undav im Vollbesitz seiner Kräfte mitbringt, wird er in Nagelsmanns Überlegungen für die Weltmeisterschaft 2026 eine Rolle spielen. So weit denkt Undav aber nicht laut. Es sei „noch relativ früh. Wenn ich zwei, drei Spiele nicht treffe, bin ich wieder ein schlechter Spieler, deswegen gebe ich einfach Gas“, sagte er. Ein guter Auftritt allein sei keine Bewerbung, „ich muss konstant Leistung bringen, konstant Tore schießen“.
Stuttgarter im DFB-Team außen vor
Wegen der eigenen Verletzung und der Konkurrenzsituation, allen voran ausgelöst durch das Formhoch von Ex-VfB-Durchstarter Nick Woltemade, war Undav aus dem Blickpunkt geraten. Da fügte es sich ins Bild, dass die Stuttgarter bis vor Kurzem eine große, teils sogar die größte Fraktion in der DFB-Auswahl stellten, mittlerweile aber deutlich weniger Berücksichtigung finden.
Stiller, wegen dessen ausgebliebener Nominierung der Protest am lautesten gewesen war, wolle Nagelsmann „zeigen, dass er vielleicht einen Fehler gemacht hat – Woche für Woche mit meiner Spielweise“. Er bestätigte in Dortmund seine aufsteigende Form. Mittelstädt bereitete ein Undav-Tor direkt und eins indirekt vor. Undav schwang sich zum Helden des Tages auf. Dieser Auftritt also war ein deutliches Ausrufezeichen von Stuttgarts Aussortierten.



