Bundestagsdebatte

Migration: Regierungsfraktionen weisen Unions-Forderung nach Grenzkontrollen und Obergrenze ab

Helge Lindh (SPD), Mitglied des Deutschen Bundestags.
Helge Lindh (SPD), Mitglied des Deutschen Bundestags.

Berlin. Bundestagsabgeordnete der Grünen, der FDP und der SPD haben den Vorstoß der Union im Bundestag zurückgewiesen, dass Deutschland stationäre Grenzkontrollen und eine Migrationsobergrenze von 200.000 Menschen braucht. Im Rahmen einer aktuellen Stunde zum Thema „Massenmigration stoppen – Grenzen sofort schützen“, die die AfD beantragt hatte, sagte Helge Lindh (SPD) im Plenum: „Es ist nicht möglich, Menschen an der Grenze zurückzuschicken, die einen Asylantrag stellen. Das wäre ein Rechtsbruch zum EU-Recht und zum Völkerrecht.“

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Ihm zur Seite sprang Julian Pahlke (Grüne): „Was passiert, wenn die 200.000 erschöpft sind? Dann kommt es wieder zu Gewalt an den Grenzen.“ Die Polizeigewerkschaft habe außerdem klargemacht, dass stationäre Grenzkontrollen „ein personeller Wahnsinn“ seien. Auch der FDP-Bundestagsabgeordnete Stephan Thomae sagte, dass Grenzkontrollen zu aufwendig wären, zudem den Pendelverkehr und den Reiseverkehr zu sehr beeinträchtigen würden. „Wir sind aber für eine intelligente Schleierfahndungen“, sagt der FDP-Politiker.

Amthor: Deutschland der „Geisterfahrer unter den EU-Ländern“

Zuvor hatte Philipp Amthor (CDU) gesagt, dass Deutschland „der Geisterfahrer unter den EU-Ländern“ sei. So hätten Dänemark und Schweden auf eine restriktivere Asylpolitik umgeschwenkt und auch Frankreich nehme keine Flüchtlinge mehr aus Lampedusa auf. Die Ampel-Koalition sorge dafür, dass in der Bevölkerung die Akzeptanz gegenüber der Migration schwinde. Neben den Grenzkontrollen bekräftigte er auch die Forderung des bayrischen Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU), eine Migrationsobergrenze von 200.000 Menschen einzuführen.

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Die Fraktionen waren sich weitestgehend darüber einig, dass die Kommunen ächzen unter den Aufgaben, die sie durch die großen Flüchtlings- und Migrationszahlen zu bewältigen haben. Viele Flüchtlingsunterkünfte sind voll, Kitas und Grundschulen müssen Kinder ohne größere Deutschkenntnisse integrieren – und das bei Personalnot. Im Jahr 2023 sind bisher etwa 200.000 Asylbewerber nach Deutschland gekommen, außerdem hat die Bundesrepublik rund eine Million ukrainische Geflüchtete aufgenommen.

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Viele Ausreisepflichtige werden weiterhin nicht abgeschoben

Die CDU hatte sich zuletzt neben Grenzkontrollen auch für eine Verlängerung der Abschiebehaft auf 28 Tage und der Einstufung der Länder Georgien, Moldau, Indien, Tunesien, Marokko und Algerien als sichere Herkunftsstaaten stark gemacht. Die Parteichefin der Grünen, Ricarda Lang, hatte dem im Fall von Georgien und Moldau zugestimmt und zugleich auch mehr Abschiebungen gefordert.

Viele Ausreisepflichtige werden weiterhin nicht abgeschoben. In diesem Jahr wurde nur knapp jeder Dritte in sein Herkunftsland zurückgebracht. Das liegt auch daran, dass viele Herkunftsstaaten die Migranten nicht zurücknehmen wollen. Deshalb will die EU mit ihrem Asylkompromiss die Abschiebung in sichere Drittstaaten ermöglichen. Dafür muss sie aber Abkommen mit diesen Ländern schließen.

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In der hitzigen Bundestagsdebatte setzte gleich zu Beginn Gottfried Curio von der AfD den Ton: „Wenn eine Armada kommt, dann nimmt Deutschland sie auf. Wir brauchen keine solidarische Aufteilung, wir brauchen Entschlossenheit.“ Die Schleuser könnten sich nur betuchte Menschen leisten, „die im Schlaraffenland Deutschland hundertfach abkassieren.“

Die anderen Fraktionen hielten dagegen. Besonders lautstark: Helge Lindh (SPD). „Wie wäre es, wenn die AfD mal darüber nachdenken würde, dass nicht die Migration Ursache aller Missstände ist, sondern die Missstände die Ursache für Migration!“ Er bezeichnete die AfD-Politik mehrfach als „amoralisch“. Mechthilde Wittmann (CSU) kritisierte, dass sich Parlamentarier der Grünen und der SPD „mit ihrem Geschrei auf die gleiche Ebene wie die da begeben“, wobei sie auf die Reihen der AfD-Abgeordneten zeigte, und sagte: „sodass es einem kalt den Rücken runterläuft“.